Die Lokalbahn Straubing-Cham

Für die Entwicklung des Vorderen Bayerischen Waldes in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts war der Bau der Eisenbahn von Straubing über Bogen - Konzell - Miltach - Cham von großer Bedeutung. Davon profitierten natürlich auch alle Orte, die direkt an dieser Bahnstrecke oder in ihrer unmittelbaren Nähe lagen. Sie wurde zwischen Straubing und Miltach in vier Abschnitten eröffnet. Von Straubing nach Bogen am 9.12.1895, von Bogen bis Steinburg am 16.5.1896, von Steinburg nach Konzell am 5.12.1896 und von Konzell nach Miltach am 1.6.1905. Die rund 50 km lange Strecke kostete insgesamt 5961353 Mark, davon trug der Bayer. Staat 4,9 Mill. Mark und die Interessenten hatten den Rest von ca. 1. Mill. aufzubringen. Ursprünglich sollte diese Strecke von Straubing nach Cham über Stallwang geführt werden. Doch dann wurde bekannt, daß Viechtach einen Bahnanschluß nach Gotteszelt erhalten soll. Dies löste beim Straubinger Handel die Befürchtung aus, daß dann der gesamte Verkehr aus dem Viechtacher Raum über Gotteszelt nach Deggendorf geleitet werden würde. Schnell beantragte man daher am 20.01.1884 bei der Regierung in München den Bau eine Lukalbahn von Straubing nach Viechtach mit dem Ziel, damit den Güter und Personenverkehr aus dem Mittleren und Oberen Bayerischen Wald in die eigene Stadt zu lenken.
Doch dieser Plan scheiterte einerseits an den großen Geländeschwierigkeiten zwischen Straubing und Viechtach und andererseits an dem massiven Einspruch und Widerstand des damaligen Posthalters und Landtagsabgeordneten Echinger von St. Englmar. Man befürchtete die Vernichtung des Transportgewerbes, das damals von Englmar aus mittels Pferdegespannen nach beiden Seiten betrieben wurde.
Aber auch der neue Antrag Straubings für eine Bahnverbindung von Straubing nach Cham wurde seitens der Staatsregierung mit der Begründung abgelehnt, daß zwar früher eine Verbindungsbahn durch den ganzen bayerischen Wald wichtig gewesen wäre, jetzt jedoch genüge eine Stichbahn in den vorderen Wald, um die Verkehrsbedürfnisse der dortigen Bevölkerung zu befriedigen. Als Endpunkte dieser Bahn standen Stallwang oder Konzell zur Wahl. Letztlich entschied man sich für Konzell, da damit die Orte Bogen, Hunderdorf, Steinburg, Mitterfels, Haselbach und Haibach erschlossen werden konnten, während eine Bahn mit dem Endpunkt Stallwang nur die Ortschaften Steinach, Ascha und Rattiszell erschließen würde.
Damit waren die Probleme jedoch nicht aus der Welt geschafft. Endpunkt der Bahnlinie sollte ursprünglich Konzell-Streifenau sein, da dort fünf Straßen zusammentrafen. Eine Ortsbesichtigung und Sparmaßnahmen brachten schließlich die Entscheidung für den Endbahnhof bei Kleinmenach an der Staatsstraße von Mitterfels nach Konzell, da man dadurch 77,5 m Steigung und rund 300 000 Mark Baukosten einsparen konnte. Erst später erhielt dieser Bahnhof die Bezeichnung ""Konzell-Süd".".
Große Debatten löste auch der Standort des Bahnhofs in Mitterfels aus, den die Mitterfelser natürlich möglichst nahe am Ort haben wollten. Aus technischen Gründen und der Kosten wegen entschied man sich für den heutigen Standort. Dies förderte damals den Widerspruch der Mitterfelser heraus und man lehnte eine Kostenbeteiligung am Grunderwerb ebenso ab, wie am Bau einer Zufahrtsstraße. Daraufhin drohte die Bahnverwaltung, nur einen Halteplatz, statt einer Haltestelle zu errichten. Der Unterschied zwischen einem Halteplatz und einer Haltestelle bestand in erster Linie darin, daß an einem Halteplatz, später auch Haltepunkt, keine Güterbeförderung möglich war.
Ähnliches Kopfzerbrechen bereitete auch die Errichtung einer Haltestelle für Haibach. Ursprünglich war in den Bauplänen nur eine Haltestelle Prünstfehlburg bei Recksberg vorgesehen. Aufgrund des Einspruches der Haibacher, Elisabethszeller, lrschenbacher und Stallwanger entschied man sich für den Standort Krottenholz, obwohl es auch zu diesem Standort noch keine ausgebaute Straße, sondern nur Fahrwerke zu den protestierenden Gemeinden gab.
Große Schwierigkeiten bereitete auch der Übergang über die Donau. Es mußte eine Hauptbrücke gebaut werden mit einer Mittelöffnung von 60 Metern. Die Gesamtlänge der Donaubrücke bei Bogen mit allen Flutbrücken beträgt 547 Meter. Damit die Brücke für die Schiffahrt auch bei Hochwasser passierbar war, mußte sie sehr hoch angelegt werden, wodurch an beiden Ufern sehr kostspielige Auffahrrampen erforderlich wurden. Schon ein Blick auf die Landkarte zeigt, daß die Trassenführung für eine Eisenbahnlinie nicht einfach zu bewältigen war. Die Strecke führte fast gerade von Straubing über Bogen, Hunderdorf zum Bahnhof Steinburg bei der Ortschaft Gaishausen. Gemäß der ursprünglichen Planung sollte sie dann über Neukirchen, St. Englmar die Stadt Viechtach erreichen. Nach der neuen Projektierung biegt sie jedoch nach Gaishausen stark nach Westen ab, um die Wasserscheide zwischen Bogen- und Menachbach zu überwinden. Erst im Menachtal nach Mitterfels biegt sie wieder nach Norden ab und führt dann bis zu ihrem damaligen Endpunkt Konzell-Süd im Tal der Menach entlang. Bei der ersten Rentabilitätsberechnung ging man von 77000 Fahrkarten im Personenverkehr und von 20800 Tonnen im Güterverkehr pro Jahr aus. Doch hatte man sich gründlich verschätzt, was den Personenverkehr betraf.
Im Jahre 1897, im ersten Jahr des vollen Betriebes auf der Strecke Straubing Konzell 186556 Personen und 18800 Tonnen befördert.
Der Personenverkehr übertraf somit alle Erwartungen. Zwei Jahre später wurden 180513 Reisende und 32929 Tonnen Güter befördert. und ein Überschuß von 53156 Mark erzielt.
 

Bahnhof Konzell-Streifenau
rechts neben dem Gasthaus die Tanzhalle
1. Produktionshalle der heutigen B+K

Bahnhof Konzell-Süd
für 8 Jahre (1897-1905) war hier Endstation,
ehe die Bahnlinie bis Miltach weitergeführt wurde
Sitz einer eigenen Bahnmeisterei bis 1954

Der einstige Bahnhof in Haselbach

Alte Lock

Freie Fahrt

Überschwemmung in der “Obermühle” 1925


Bogen war zur Zeit der Bahneröffnung der einzige Ort an der gesamten Strecke mit über 500 Einwohnern, Die Zeitung schrieb über die Bahneröffnung von Straubing nach Bogen wie folgt: An der Jungfernfahrt von Straubing nach Bogen nahmen sämtliche Persönlichkeiten der Straubinger Behörden und Wirtschaft teil. Böllerschüsse krachten, als der festlich mit Girlanden geschmückte Zug in den Bahnhof einfuhr, die Musikkapelle des 11. Infanterie-Regiments spielte unter den jubelnden Hoch-Rufen der Menschen einen Marsch auf, die Schulkinder und die Bevölkerung freuten sich über den einbrausenden Zug und bestaunten in wie das siebte Weltwunder. Als das Wunderwerk der Technik endlich stand und die Fahrgäste ausgestiegen waren, trat der königliche Bezirksamtmann Schrödtl, begleitet Beamten und Bürgermeister Haasler vor und hieß die Gäste aus Straubing herzlich willkommen. Der Bzirksamtmann gab der Hoffnung Ausdruck, die Herren aus Straubing recht oft in Bogen zu sehen, wo sie stets willkommen seien.
Auf die freundliche Begrüßung antwortete mit Dank Bürgermeister Leistner aus Straubing. Der Extrazug, der in Straubing um 12 Uhr mittags abgefahren war, dampfte um 4 Uhr nachmittags mit den illustren Gästen wieder nach Straubing zurück. Am selben Abend feierte die Bevölkerung Straubings die Eröffnung der Bahnlinie.
70 Jahre später erschien zum Jubiläum dieser Bahn im "Straubinger Tagblatt" ein Artikel, der in wenigen Sätzen die Entwicklung des Verkehrs in unserer Heimat wieder gibt: "Die Zeiten seit damals haben sich gewandelt! Der mit dem ersten Zug verbundene Postomnibus fährt wieder, noch weitere Privatbuslinien sind hinzugekommen, die Straße von Straubing nach Bogen ist eine der meistbefahrenen Straßen geworden. Und die damals erstmals befahrene Bahnstrecke besteht heute noch und zeugt neben anderen Verkehrsmitteln von der Bedeutung des Rayerischen Waldes für Handel und Wandel des Gäubodens und insbesondere der Stadt Straubing. Dar Verkehr hat sich seit damals vervielfacht. Und wenn wir auch zwischenzeitlich vom alten "Bayerwaldbockerl" Abschied genommen haben, wenn an seine Stelle Triebwagen und Dieselloks getreten sind, die Strecke selbst ist geworden und geblieben, wie sie damals vor 70 Jahren gedacht war: eine der Pulsadern des Verkehrs, ohne die das Herz des schönen Bayerwald zuschlagen aufhören würde."
Dies war die öffentliche Meinung im Jahre 1965, die in diesem Bericht zum Ausdruck kam. Nicht einmal 20 Jahre sind seither vergangen und beamtete Räte haben im Einvernehmen mit den verantwortlichen Politikern aus wirtschaftlichen Erwägungen diese "Pulsader" stillgelegt. Die Herzen dieser treuen, festverwurzelten Grenzlandbevölkerung schlagen noch, doch Wehmut zieht durch die Wälder eines Adalbert Stifters und Josef Schlichts und deren biederen Bewohner Herzen, die "wirtschaftlichen Erwägungen" geopfert wurden.