Konzell - Hoheitsgebiet
der Mitterfelser Gerichte


Das Pfleggericht Mitterfels
(um 1280 - 1799)

Das Pfleggericht war eine Universalbehörde. Sein Aufgabenbereich umfaßte alles, was heute auf Landratsamt, Finanzamt, Landgericht und militärische Verteidigung verteilt ist. Die übergeordnete Behörde war seit 1255 das Vitztumsamt Straubing mit seinen 16 Gerichten, ab 1506 das Rentamt Straubing mit 24 Gerichten, ab 1810 der ,,,,Unterdonaukreis in Passau, ab 1837 der Kreis Niederbayern mit 27 Landgerichten.Mitterfels zählte mit zu den größten im Herzogtum Bayern. Sein Umfang betrug 24 Meilen (180 km), der Bezirk reichte vom Markt Falkenstein im Westen bis Egg nahe Deggendorf. Der Pfleger hatte die Oberaufsicht über die 50 im Gerichtsbezirk gelegenen Herrschaften, Hofmarken, Edelsitze, sowie über Bauern, Bürger und Soldknechte, die als Urbarleute dem Herzog unmittelbar unterstanden.Der ausgedehnte, wegemäßig aber schlecht erschlossene Gerichtsbezirk war zur leichteren Verwaltung in Unterämter geteilt, Schergenämter, wo der Scherz die Arbeiten und Funktionen des Pflegamtes ausübte. Mitte des 18. Jhdts. hießen die Ämter: Thurnamt, Landasberg, Schwarzach, Rattenberg, Kößnach, Waldpropstamt (um Kasparzell), Poschinger Amt, Weybinger Amt.Von der allerersten Zeit abgesehen, waren Pflegamt und Richteramt zwar unter einer Behörde, aber auf zwei Personen verteilt: auf den ,,Praepositus" oder,,Praefectus" (Pfleger) und den ,,Judex" (Richter). Als Seele des ganzen Gerichts darf man den Gerichtsschreiber sehen, den,"Scriba provincialis" (So 1718) oder, Archigrammaticus (wörtlich: "Erzsprachkünstler") oder, Overschreiber" (so 1726, auch 1696).- Ihm zur Seite standen der ""Mitterschreiber" und der "Drittschreiber". Ein anderer Beamter war der ""Procuratar", ein Bevollmächtigter, etwa im Sinne eines Notars. (Dazu 4 Namen: 1634 Vitus Endres, 1663 Reissacher, 1689-l701 Sebastian Thürriegel, der in Scheibelsgrub wohnte, 1765 Johann Druckmüller.) Unentbehrlich für die vielen kleinen Gänge war der "Nuntiarius" (Amtsbote) oder "Tabelarius" und der Fronbote - das Mädchen für alles. Weitere Beamte waren die "Lictores", die Schergen: der "Stubenscherg" als Gefängniswärter, der ""Eisenscherg" als Strafvollstrecker. Zu den einfachen Bediensteten zählten die Kutscher und Reitknechte des Pflegers, sowie der Jagdaufseher. Mit Geldeintreiben hatten zu tun: der "Mautner" (Telonearius) für Brückenzölle, der "Ungelter" für die indirekten Steuern (Ungeld) auf Wein. Leinwand, Getreide, Vieh, die außer Landes gingen; die Geldeinheber auch für die Steuern, Gefälle, Giften. Der Pfleger selbst war auch der ""Kastenpropst" (Granator), der alles verrechnete und den schuldigen Teil an das "Regiment" zu Straubing lieferte oder an die Hofkammer zu München, die Naturalien zum Kasten nach ((Oberalteich, den ihm zustehenden Teil für sich und zur Entlohnung der Beamten. Eine besondere Aufgabe bedeutete dem Pfleger der militärische Auftrag. Er befehligte im Krieg den Heerbann seines Gerichts aus adeligen Herren und deren Knechten, aus dem bäuerlichen Landaufgebot, später aus den bezahlten Söldnern. Die Kosten für diesen Behördenapparat waren verhältnismäßig niedrig. Die Entlohnung erfolgte weitgehend in Naturalien, in der Nutznießung von Pfleggründen, auch der Wälder für das nötige Brennholz. Eigene Höfe gehörten zum Amt: Auhof, Buchhof, Rosenhof, Steckenhof, Bruckhof. Geldbeträge flossen in ausreichendem Maße aus den Zehnten, aus Amtsgebühren, Polizeistrafen, Strafgeldern, Zöllen, Mauten, auch aus verpachteten Pflegsgründen.

Das Mitterfelser Gericht

Turmverlies für Kettensträflinge und Todeskandidaten

Gefangenenzelle (in Gebrauch bis 1948)

 

Das hohe Gericht zu Mitterfels
(um 1280 - 1879)
In jedem "Gericht" ("Pfleggericht") gab es neben dem für Polizeiwesen und Verwaltung zuständigen Pfleger noch einen zweiten, höhergestellten Beamten: den Richter. Dies galt bis zu den großen Montgelas'schen Reformen 1799, wo in den neuen "Landgerichten" nur noch der "Landrichter" alle Funktionen innehatte. Wie bei der Pflege unterstand auch der Richter dem Vitztum, ab 1506 dem Rentamt Straubing. Ursprünglich wurden "Malefizverbrechen" (Vitztumshändel) nur hier abgeurteilt; das waren Mord, Raub, Notzucht, Meineid, Urkundenfälschung, Münzvergehen. Ausnahmen gab es insofern, daß auch ein eigener, "Bannrichter" des Vitztums zu den Gerichten reiste, dort solche Verbrechen aburteilte und die "Exekutionen" überwachte. In späterer Zeit konnten auch die Landrichter in eigener Instanz derartige Verbrechen ahnden. Die Strafen waren unerhört grausam. Das war schon so seit dem Mittelalter und auch ein neues Strafrecht von 1751, unter dem Kurfürsten Max III. Joseph von Vizekanzler Wiguläus Frh. von Kreittmayr verfaßt, änderte daran kaum etwas; dies galt bis 1813. Es gab alle erdenklichen Folterungen, Körperschädigungen bis hin zum hilflosen Krüppel, Todesstrafen auf mancherlei Art. Bei der Ausführung war dem Eisenscherg weitgehend freie Hand gegeben. Es wurde geschlagen, gepeitscht, gebrannt, gezwickt, auf`s Rad geflochten, die Hand abgehackt, mit dem Richtstahl Backen und Zunge durchstoßen und die Augen ausgestochen, es wurde gehängt, geköpft, verbrannt, gevierteilt. Die Todesstrafe galt bereits für einen Diebstahl im Wert von 5 Schilling = 150 Pfennigen. 1751 blieb es nicht viel anders: Wer 20 Gulden gestohlen, muß zwischen HimmeI und Erde mit dem Strang erwürgt werden; wer andere umbringt, wird selbst "Umbringt"; wer eine konsekrierte Hostie entweiht, mit dem Teufel im Bunde steht oder Hexerei betreibt, wird öffentlich verbrannt; wer ein Heiligenbild durch Wort oder Taten beschimpft, wird geköpft; Kuppler und Kupplerinnen werden geköpft; erstmaliger Ehebruch wird mit öffentlicher Schaustellung und 4 Wochen Gefängnis bei geringer Atzung, bei Wiederholung mit Hinrichtung geahndet. Ein humaneres Strafgesetz gab es erst seit 1813, unter König Max Joseph I. von dem Juristen Anselm v. Feuerbach, verfaßt. Nunmehr wurde bei Todesstrafe auch vom Gnadenrecht Gebrauch gemacht. Beispiele von Todesurteilen und Hinrichtungen am Gericht Mitterfels: Von 1410 erfahren wir erstmalig von einer Hinrichtung: Auf Befehl des Abtes von Metten wird hier ein Bursche hingerichtet. 1489 entrinnt ein Ulrich Müller aus Lenach nur knapp der Hinrichtung. Für 3 Brandstiftungen an einem klostereigenen Haus in Furth und an Stallungen in Lenach und Kirchroth werden ihm beide Augen ausgestochen. 1658 wird der Glaser Bartholomäus Gassner aus Zwiesel wegen mehrerer kleiner Diebstähle und wegen Ehebruch mit einer Schwägerin geköpft. 1659 wird eine ledige Dorothea wegen Mordes an ihrem unehelichen Kind geköpft. 1746 wird der fahrende Büttel Ägidius Breinthaeuser, 48 Jahre alt, mit dem Schwert hingerichtet, weil er trotz Ausweisung in das "Vaterland" zurückgekehrt ist ("Vagus Iictor ob prohibitium in patriam ingressum: gladio percussus"). Auch 1746 und am gleichen Tag wird ein Wolfgang Pruner wegen Diebstahl gehängt. 1758 wird ein Joseph Haimerl aus Rattenberg, wegen Diebstahls gehängt. 1772 wird der 42 jährige, verwitwete Arbeiter Johann Sagstetter aus Pfelling wegen Diebstahls gehängt und sogleich neben dem Galgen verscharrt. Vorher war er 23 Wochen lang in der Fronfeste Mitterfels in Ketten an die Wand geschlossen. Er stirb gut vorbereitet, von zwei Geistlichen. P. Amilius Stahl und R. Car, zur Richtstätte geleitet. Tragischer erscheint der Fall der Anna Osterkorn von Elisabethszell. Sie gebar ein lediges Kind, das sofort nach der Geburt starb. Sie begrub es nachts im Friedhof, wurde ertappt und des Mordes angezeigt, in Mittettels verhört und wegen Leugnens auf dem Folterstock gepeinigt und schließlich zum Tod durch das Schwert verurteilt. Die folgenden Beispiele datieren nach 1813 und nach Einführung des neuen, milderen Strafrechts. 1815 bereits erfährt Sebastian Pangratz von der Hochwies von dieser Milderung: Für den Mord an seiner Ehefrau, wird er nicht hingerichtet, sondern erhält nur eine langjährige Kettenstrafe. 1841 wird ein Michael Schmid aus Grub (Viechtach) zum Tod durch das Schwert verurteilt, dann aber durch König Ludwig I. zur Kettenstrafe mit öffentlicher Ausstellung begnadigt. Schmid hatte am 25.10.1840 im nahen Wald zwischen Hofstetten und Dachsberg den Bauern Stubenhofer von Dachsberg erschlagen, weil er mit dessen Frau ein Verhältnis hatte. An der Mordstelle erinnert noch heute ein Marterl an diese Tat. 1844 wird eine Katharina Sponfeldner von Ohrloh mit Zuchthaus auf unbegrenzte Zeit bestraft, weil sie mit einem Prügel ihren Ehemann erschlagen hat. Nach 14 Jahren (1859) wird sie durch König Max II begnadigt. Der nächste Mordfall ereignete sich 1844 in Konzell. Die Frau des Lehrers Hahn wird erwürgt aufgefunden. Drei Personen werden überführt der Gatte, seine Geliebte und ein Mithelfer. Alle drei werden am Gericht mit Mitterfels zum Tode verurteilt, doch König Ludwig I begnadigt die Geliebte und den Ausführenden der Tat zu lebenslanger Kettenstrafe, nicht aber den Lehrer. Der wird 1847 in Mitterfels öffentlich mit dem Schwert hingerichtet. Als letzte öffentliche Hinrichtung am hiesigen Gericht und wegen der zahlreichen zeitgenössischen Darstellungen wird darüber in einem gesonderten Kapitel berichtet. 1879 endete die große und lange Geschichte des Landgerichts Mitterfels: es wurde zu einem Amtsgericht abgestuft und auch dieses 1973 aufgehoben.